Leipzig – Wiege des deutschen Fußballs

Leipzig – Wiege des deutschen Fußballs

In der Bibel ist zu lesen, dass Gott die Welt in sechs Tagen erschaffen hat. Bleibt die Frage: Wo stand die Werkbank? Das muss in Leipzig gewesen sein, weil hier so viele Dinge ihren Ursprung haben oder angeschoben wurden.

Das gilt auch für den Fußball. Zumindest der deutsche Fußball findet in Leipzig maßgebliche Wurzeln. Hier wurde am 28. Januar 1900in unmittelbarer Bahnhofsnähe in der Gaststätte „Zum Mariengarten“ in der heutigen Büttnerstraße 10 der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gegründet.

Ebenso kommt der erste Deutsche Meister im Fußball aus Leipzig – im Jahr 1903. Vor dem Ersten Weltkrieg war Leipzig das Maß aller Dinge im deutschen Fußball. Der VfB Leipzig wurde Deutscher Meister 1903, 1906 und 1913 – und erreichte zudem die Endspiele 1904, 1911 und 1914.

Wobei das Finale 1904 nicht ausgetragen wurde und Viktoria 89 Berlin mit vier Endspielteilnahmen und zwei Titelgewinnen 1908 und 1911 dem VFB dicht auf den Fersen blieb.

Ältester sächsischer Fuballclub – viele erstklassige Vereine

Mit dem am 1. Februar 1893 in der Gohliser Gastwirtschaft „Zur Mühle“ gegründeten Verein Lipsia Eutritzsch kommt der älteste Fußballclub Sachsens ebenfalls aus Leipzig. In der Folge entwickelte sich vor Ort eine vielfältige und leistungsstarke Fußballkultur.

Bis zum Zweiten Weltkrieg wies Leipzig phasenweise bis zu fünf erstklassige Clubs auf, die teilweise bis in die Endrunden um die Deutsche Meisterschaft vorstießen: VfB Leipzig, SpVgg. Leipzig, Wacker Leipzig (das heutige Motor Gohlis-Nord), Fortuna Leipzig und TuRa Leipzig.

Der dreimalige Deutsche Meister VfB Leipzig gewann am 3. Januar 1937 durch ein 2:1 über den FC Schalke 04 vor 70.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion zudem den ein Jahr zuvor begründeten Vereinspokal. Auf der Ehrentafel der DFB-Pokalsieger ist er nach dem 1. FC Nürnberg 1935 als zweiter Gewinner des Wettbewerbs für das Jahr 1936 aufgeführt, da in den Anfangsjahren der deutsche Pokalwettbewerb ans Kalenderjahr gekoppelt war.

Mit Ende des Zweiten Weltkrieges und der Entstehung zweier deutscher Staaten gab es nicht nur eine Zäsur für Leipzig, sondern auch für den deutschen Fußball. Neben dem in der BRD fortbestehenden Deutschen Fußball-Bund (DFB) etablierte sich parallel in der DDR der Deutsche Fußball-Verband (DFV). Ab 1948 gab es dadurch bis 1991 jedes Jahr zwei deutsche Meister und ab den 1950er Jahren auch zwei deutsche Pokalsieger.

Chemie und Lok prägen Zeit von 1945 – 1989

Während im Westen die Traditionsvereine den Spielbetrieb wiederaufnahmen, entstanden im Osten neue Konstrukte, die an Betriebe oder Organisationen gekoppelt wurden. Zahlreiche Umstrukturierungen, Umbenennungen und Konzentrationen erschweren eine klare Bestimmung von Traditionslinien. Emotional dominierten und rivalisierten in Leipzig im Verlauf des DDR-Fußballs die Namen Chemie Leipzig und Lok Leipzig.

Chemie Leipzig wurde Meister 1951 und 1964, zudem Pokalsieger 1957 (unter dem Namen SC Lokomotive) und 1966. Lok Leipzig gewann den Pokal 1976, 1981, 1986 und 1987. Zudem erreichte Lok Leipzig 1987 das Endspiel im Europapokal der Pokalsieger.

Nach der Wiedervereinigung von BRD und DDR zur heutigen Bundesrepublik benannte sich Lok Leipzig 1991 in VfB Leipzig um und griff damit die Tradition des Uraltmeisters aus der Messestadt neu auf.

Neugründungen nach dem Fall des VFB Leipzig

1993 gelang für ein Jahr der Aufstieg in die Bundesliga. Nach wiederholter Insolvenz wurde der VfB Leipzig im Frühjahr 2004 aufgelöst und aus dem Vereinsregister gestrichen.

Flankierend geschah Außergewöhnliches und Faszinierendes in Leipzig: Leidenschaftliche Fans gründeten im Dezember 2003 einen neuen Verein unter dem Namen 1. FC Lokomotive Leipzig, der im Sommer 2004 den Spielbetrieb aufnahm.

Bereits im Sommer 1997 gründeten ebenso leidenschaftliche Fans einen neuen Verein unter dem Namen BSG Chemie Leipzig, der dann im Sommer 2008 den Spielbetrieb aufnahm.

Schritt für Schritt reiften in Leipzig zwei wunderbare Fußballmärchen heran: Den Neugründungen herausragender Traditionsvereine gelangen nach einigen Aufstiegen und durch Fusion mit höherklassigen Clubs die Rückkehr in den Leistungsfußball. Mittlerweile sind Lok Leipzig (Saison 2015/16) und Chemie Leipzig (Saison 2016/17) bis in die Regionalliga Nordost vorgedrungen und locken einige tausend Zuschauer zu jedem ihrer Heimspiele.

Aktuell eine Klasse darunter, in der Oberliga Nordost Süd, agiert der ambitionierte FC International Leipzig, der sich die Schwerpunkte Internationalität und Integration auf die Fahnen geschrieben hat. Das 2013 neu gegründete Verein startete nach dem Zusammenschluss mit einem auswärtigen Verein im Sommer 2014 in der Sachsenliga den Spielbetrieb.

125 Jahre Fußballtradition

2018 kann Leipzig auf 125 Jahre (!) herausragende Fußballtradition zurückblicken. In dieser Zeit und von Anfang an traten außergewöhnliche Trainerpersönlichkeiten und Macher hervor, zahlreiche Nationalspieler gesellten sich dazu, es fanden spektakuläre Partien statt – wie der größte Skandal in der Geschichte der Endspiele um die Deutsche Meisterschaft, in dem 1922 der Titelverteidiger 1 FC Nürnberg im heutigen Bruno-Plache-Stadion vor 60.000 Zuschauern auf den Hamburger SV traf.

Apropos Stadion: Am 4. August 1956 wurde das Zentralstadion Leipzig eingeweiht, das mit 100.000 Sitzplätzen die bis heute größte Fußballarena Deutschlands war und in dem alle wichtigen Länderspiele des DDR-Fußballs ausgetragen wurden. Zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland wurde in das Oval dieser Legende ein neues WM-Stadion für rund 43.000 Besucher gebaut.

Wer sollte nach der WM in diesem Stadion spielen? Am 19. Mai 2009 begann ein neues Kapitel im Rahmen der großen Leipziger: Der Verein RasenBallsport Leipzig wurde gegründet. Geburtshilfe leisteten der benachbarte SSV Markranstädt und einige beherzte Fußball-Visionäre, sodass im Sommer 2009 in der Oberliga Nordost Süd der Spielbetrieb aufgenommen werden konnte.

Im Sommer 2012 nahm RB Leipzig dann die gewünschte Dynamik auf: Mit der Verpflichtung von Ralf Rangnick als dem sportlich Verantwortlichen gelang Red Bull-Chef Dietrich Mateschitz der entscheidende Königstransfer. In nur fünf Jahren (!) gelang RB Leipzig der Durchmarsch von der Regionalliga Nordost bis in die Bundesliga und sogar in die europäische Königsklasse.

Nach 30 Jahren – mit RB zurück im Europapokal

1987 leuchtete Leipzigs Stern zuletzt hell auf der europäischen Bühne, als Lok Leipzig im Finale des Europapokals der Pokalsieger Ajax Amsterdam einen großen Fight bot und am 13. Mai im Olympiastadion von Athen durch einen Treffer von Marco van Basten mit 0:1 verlor. 1987 ist auch das Geburtsjahr von Red Bull! 30 Jahre danach betreten Leipzig und Red Bull gemeinsam die herausragende Bühne des europäischen Fußballs – in der Gruppenphase der ChampionsLeague.

Gleich im Premierenjahr seiner Erstligazugehörigkeit darf sich RB Leipzig 2017 als Deutscher Vizemeister feiern lassen – und mit Blick auf die riesige Dominanz von Rekordmeister Bayern München als „Best Of The Rest“.

RB Leipzig glänzt als bester Bundesliga-Neuling in der Geschichte des deutschen Fußballs. Zahlreiche A-Nationalspieler kommen wieder aus Leipzig, darunter mit Timo Werner und Diego Demme auch zwei deutsche Auswahl-Asse.

Die Euphorie in und um Leipzig ist riesig, die WM-Arena von 2006 ist mit knapp 43.000 Besuchern fast immer ausverkauft. Selbst Seniorinnen und Senioren im Alter von 70 und mehr Jahren hat das Fußball-Fieber gepackt – undenkbar noch vor wenigen Jahren. Red Bull verleiht tatsächlich Flügel.

Leipzig weist faszinierende Wachstumszahlen und Entwicklungswerte auf – und die Bundesliga-Tabelle spiegelt das beachtlich wider. Der Fußball als Spiegel des realen Lebens?

125 Jahre herausragende Leipziger Fußballtradition bergen reichlich spannende Geschichten aus der Welt des Fußballs. Der Blog „Tradition 09“ blickt vertiefend auf das Werden dieser faszinierenden Entwicklung, die Leipzig zu einer der bedeutendsten Wiegen des internationalen Fußballs gemacht hat.

Holger Gemmer